Warfare Kinofilm Szene Standbild

Die Filmkritik zum Anti-Kriegsfilm Warfare vom Regie-Duo Alex Garland und Ray Mendoza.

Im Kinofilm Warfare wird kein Soldat James Ryan gerettet und man sieht auch nicht, wie der Veteran Desmond Doss eine Granate in Zeitlupe wegkickt. Gezeigt wird dafür eindrücklich, dass Krieg keine Heldenschau ist, sondern pure Anspannung und blanker Horror.

Warfare Fimkritik

"Oh, sagt, weht das sternenbesetzte Banner noch immer, über dem Land der Freien und der Heimat der Tapferen?"

So endet jede Strophe der US-amerikanischen Nationalhymne. Die Heimat der Tapferen und das Land der Freien. Der Kampf für die Demokratie und die Freiheit ist ein Kampf der Helden. Eine Erzählung, die besonders durch die Filmindustrie immer wieder befeuert und eindrücklich in Szene gesetzt wird. Natürlich wird in der heutigen Kino-Landschaft immer auch das Gräuel des Krieges, die Abartigkeit militärischer Auseinandersetzungen und das Leid vieler Menschen in den Vordergrund gerückt. Allerdings kommen solche oft als "Anti-Kriegs-Filme" betitelte Kino-Hits nicht ohne eine zentrale Heldenfigur aus. Irgendwo muss das Publikum sich mit der Geschichte identifizieren können, mit dem Titelhelden (ja, in den Krieg thematisierenden Filmen sind es fast ausschließlich männliche Helden) mitfühlen und sich die Geschichte bündeln. Der Krieg als inszenatorische und erzählerische Spielwiese. Doch Regisseur Alex Garland ("Ex Machina“) wirft all diese "Tropes" – in Filmen wiedererkennbare, oft klischeehafte erzählerische Motive, Figurenkonstellationen oder Handlungselemente, die typischerweise in bestimmten Genres verwendet werden – in "Warfare" über Bord und uns damit gleichzeitig in den beklemmend realistischsten Anti-Kriegs-Film aller Zeiten. 

Schlechter Film, erstaunliches Erlebnis

Garland ist bekannt dafür, schwere Themen zu nehmen und diese so ungefiltert wie möglich auf die Leinwand zu bringen. Gerade sein jüngstes Werk "Civil War", das 2024 in die Kinos kam, war eine erschreckende Darstellung eines möglichen Bürgerkriegs in der USA. Dabei ist Garland immer eines sehr wichtig: Das Publikum muss mittendrin sein, alles muss realistisch wirken und die besonders schwere Thematik muss zum Nachdenken anregen. Er hält dabei jedoch nie eine Moralpredigt, schiebt niemandem die Schuld zu oder zeichnet eine einseitige Heldenrolle. Er zeigt es genauso wie es ist. Doch er hat seinen Ansatz des Filmemachens noch nie so stringent verwirklicht wie in "Warfare". Mit Ray Mendoza holte er sich einen der eigentlichen Hauptfiguren des Films als zweiten Regisseur an Bord und tat in 90 Minuten genau eines: zeigen, wie es war. Alles Gesehene und Gesprochene beruht auf den Erinnerungen und Erzählungen des dargestellten Navy Seals Platoons. Damit gelingt Garland ein erstaunlicher Spagat: Er schuf einerseits einen filmtheoretisch schlechten Kinofilm und andererseits eine der eindrücklichsten Kino- und Filmerfahrungen aller Zeiten. Es gibt keinen zentralen Protagonisten, keine Drei-Akt-Struktur, keine erkennbare Identifikationsfigur oder erzählerische Tiefe. Es ist dafür die reine Realität des Krieges – und diese ist der blanke Horror.

Vier Wände, Waffe, Sarg

Warfare SzenenbildWir verfolgen ein Platoon der US-amerikanischen Navy Seals bei der Besetzung eines Hauses und der darin stattfindenden Observation bestimmter Straßen im Irak. Eine in erster Linie als Standard deklarierte Mission des damaligen "War on Terror", der nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 von Präsident George W. Bush ausgerufen wurde. Dabei gleicht "Warfare" einem Kammerspiel. Wir befinden uns in diesem Haus, wechseln ein wenig zwischen den Soldaten des Platoons hin und her und bekommen ab und zu die Luftbildkamera der observierenden Gegend eingespielt. Hier zeigt der neue A24-Film bereits ein großes Missverständnis vieler Anti-Kriegs-Filme auf: Militär heißt nicht gleich Action, sondern hauptsächlich Warten. Minutenlang passiert in dem besetzten Haus einer Kleinfamilie nichts. Ein Funkspruch nach dem anderen wird ausgetauscht, verdächtige Personen werden notiert und manche Sticheleien innerhalb des Platoons werden gezeigt. Bis eine Granate nicht nur das Haus, sondern auch das Mark des Publikums erschüttert. Doch auch dann schalten Garland und Mendoza nicht in den Action- und Hero-Modus um. Absichern, Verletzte prüfen und den Verletzten evakuieren. Ein weiterer Schlag verändert schließlich alles.

Ein Horror in Echtzeit

Warfare Anti-Kriegsfilm Szene"Warfare" zeigt dermaßen eindrücklich, wie schrecklich und belastend der Horror des Krieges in der Realität ist. Keine One-Liner, coolen Sprüche, heldenhafte Posen. Anbahnende Post-Traumatische Belastungsstörungen, ständiger und verzweifelter Funkverkehr, untermalt von den nicht enden wollenden Schreie der Verletzten. Das Regie-Duo lässt uns nie verschnaufen, nie das Haus wirklich verlassen und zeigt keinerlei Zeitsprünge. Alles passiert im Hier und Jetzt. Ein Horror in Echtzeit. Mit der gefühlt ganzen Charge an britischen Schauspieltalenten gespickt, allen voran Joseph Quinn ("Stranger Things", "Gladiator II") und Will Poulter ("Wir sind die Millers", "Guardians of the Galaxy 3"), ist "Warfare" eine inszenatorische und schauspielerische Wucht. Alle Schauspieler durchliefen zudem gemeinsam ein mehrwöchiges Bootcamp, lernten einige ihrer echten militärischen Counterparts kennen und vertieften sich so in die Welt der Navy Seals. Auch ist der Einfluss des zweiten Regisseurs Ray Mendoza nicht zu vergessen, der durch seine Erfahrungen aus erster Hand den Ablauf einer detailgetreuen militärischen Operation gewährleisten konnte.

In "Warfare" ist der Titel Programm

Es geht nur um die reine Kriegsführung, ohne Helden-Mythos, ohne auswuchernde Action-Szenen und sogar ohne jegliche Musik. Der einzige Ton ist die Mischung aus schmerzerfüllten Schreien, ununterbrochenen Funksprüchen und der den Raum zerteilenden Explosion und Maschinengewehre. Alex Garland und Ray Mendoza haben die schrecklichste Kriegs-Erfahrung in den Kinosaal gebracht und gezeigt: Krieg ist kein Entertainment, sondern eine schreckliche Erfahrung. // 

Text: Tobias Schwaiger
Fotos: © 2025 LEONINE Studios

Film-Infos:
Warfare
Regie: Alex Garland und Ray Mendoz
Darsteller: D’Pharaoh Woon-A-Tai, Will Poulter, Cosmo Jarvis, Kit Connor, Finn Bennett,Taylor John Smith, Michael Gandolfini, Adain Bradley, Noah Centineo, EvanHoltzman, Henrique Zaga sowie Joseph Quinn und Charles Melton
Laufzeit: 95 Minuten
Kinostart: 17. April 2025
Verleih: Constantin Film Österreich

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