Die Hintergründe eines Mythos, oder: Das Ende der Welt
Omnia tempus habent – Alles hat seine Zeit
Der Wanderfalke ist der Vogel des Jahres 1971, in Deutschland beherrschen Danyel Gérard mit "Butterfly", George Harrison mit "My Sweet Lord" und die Pop Tops mit "Mamy Blue" die Single-Hitparade, bei den Langspielplatten dominiert James Last mit "Non Stop Dancing 11" zwanzig Wochen lang, dicht gefolgt von Deep Purple, die "In Rock" veröffentlichen. Erstaunlicherweise wird in diesem Jahr auch das aktive und passive Wahlrecht für Frauen in der Schweiz eingeführt, in Österreich wird Franz Jonas zum zweiten Mal zum Bundespräsidenten gewählt, die SPÖ unter Bruno Kreisky wird stimmstärkste Partei und Ba Die Hintergründe eines Mythos Epitaphien waren Grabinschriften, die ältesten wurden auf einem ägyptischen Sarkophag gefunden. Sie erinnerten an und lobpreisten den Verblichenen und strahlen immer eine gewisse morbide Dekadenz aus. Eine Dekadenz der auch deutsche Musiker ihren Tribut zollten und die ergo dessen ihre Band Epitaph nannten. Als ob Nomen est Omen tatsächlich existieren würde entwickelten sich gerade um diese Band, bestehend aus Jim McGillivray, Klaus Walz, Bernd Kolbe und Cliff Jackson etliche Mythen. Die Fakten hingegen Os Mundi – Das Ende der Welt
Endlich kein Latein Als ob die Welt nur aus dem vorausschauenden Rückblicken bestehen würde benannten sich die Formationen des Krautrocks mit wenigen Ausnahmen mit Metaphern der Vergangenheit, beriefen sich, trotz der neuen Sounds, gerne auf Dichter der deutschen Romantik oder gingen bis in das Altertum zurück um ihr Heil in der Benennung zu finden. Novalis (siehe Teil 2 Krautrock), Os mundi und Epitaph sprechen Bände dafür. Umso erfreulicher war es, als sich eine Band plötzlich unter dem Namen Jane präsentierte. Jane, jene Band rund um Mastermind Peter Panka, spielte einen straighten Bluesrock, also schnörkellos, rau und erdig, vor allem auf dem vorliegenden Album "Jane III". Peter Panka verstarb am 28. Juni 2007 nach schwerer Krankheit.
Der Opener "Moving to the Country" ist Blues-Rock erster Güte. Er erinnert mit der falsettartigen Stimme an die Hochzeit von Canned Heat und zeigt auf beeindruckende Weise, dass auch Deutsche den Blues auf der "Road to Nowhere" haben können. "Visions" begibt sich dann auf die Strasse in den Weltraum, spacige Klänge werden produziert, sie hätten auch Pink Floyd alle Ehre gemacht. Die Wahrheit ist da draußen und irgendwo schauen immer Aliens von einem anderen Stern auf die Erde. Und weil die Mannen von Epitaph schon mal auf dem Trip sind legen sich die Gitarren von Cliff Jackson und Klaus Walz gleich noch einmal den roten Teppich in die Unendlichkeit und Schlagzeuger Jim McGillivray ebnet den Untergrund mit seinem patternreichem Spiel für diesen Ausflug. Harte Drogen spielten, wie die Musiker später gestanden, keine wirkliche Rolle in ihrem Schaffen, lustigen Zigaretten waren sie aber nie abgeneigt und das zehnminütige "Early Morning" kann und will den Einfluss eben dieser Rauchkräuter nicht verleugnen. Ein wunderbares Album aus einer längst vergangenen Zeit.
Sie sahen das Ende der Welt kommen, die Musiker von Os Mundi, aber ehe es soweit war wollten sie die Gegenwart noch mit ihrer Musik erfreuen – und es gelang ihnen. Auch wenn Os Mundi nie zu den bekanntesten Vertretern des Krautrock zählten, waren sie doch eine der wichtigsten Bands dieser Zeit. Sie arbeiteten nicht nur mit optischen Täuschungen – wie am herrlich einfachen aber sehr beeindruckenden Cover von "43 Minuten" – sondern spielten ihrem Publikum auch eine spacige und lebenswerte Umwelt vor. "Space whistles" wie sie auch "Gong" zum Markenzeichen erhoben, ertönen immer wieder – ohne ersichtlichen Grund aber eben absolut passend. Selten zuvor sind Gitarren einprägsamer gewürgt worden und selten zuvor war das Schlagzeug einfältiger als auf "Missile", und trotzdem hat die Nummer einen eigenartigen Reiz und will immer wieder gehört werden. Auf "It’s all there" quängelt sich die Stimme durch einen eigenartigen Song und man würde viel dafür geben, so eine Stimme auch heute noch zu hören. Nein, Os Mundi war keine Über-drüber-Band, aber sie waren einzigartig in ihrem Auftreten und das Echo ihres Sounds hallt bis heute nach.
Als der Wanderfalke schon lange nicht mehr der Vogel des Jahres war, erschien 1974 die dritte LP von Jane. Schon mit den zwei Vorgängern hatte sich Jane ihren Platz in der Musikgeschichte gesichert, aber mit der dritten LP erklommen sie den Olymp und wurden zu den Göttern des Krautrocks. Sie zeigten der Welt, dass es nicht notwenig ist, sein Leben lang Baumwolle zu ernten und die Peitsche des Sklaventreibers zu spüren. Den wahren, den echten Blues-Rock kann man auch haben wenn man in Deutschland lebt. Die Strasse die ins nirgendwo führt findet man überall wenn man gewillt ist sie zu suchen. Schlicht genial. (Text: akro; Fotos: Epitaph; Os Mundi im Tonstudio während der Aufnahmen zum Album 43 Minuten; Jane; Krautrock-Lexikon) Link-Tipps:Krautrock (Teil 1) Krautrock (Teil 2) Krautrock (Teil 4) CD-Kritik: Kraftwerk - Minimum-Maximum Interview mit Roedelius: Ich habe einfach keine Lust, immer den selben Nagel ins selbe Loch zu klopfen |
|