Zunächst betrat Helen Schneider die Bühne, deren aktuelles
Album "Like A Woman" aus Cover-Versionen mit Liedern zum Thema Frau-Sein
besteht, und also, wie die Sängerin im modisch gestylten rückenfreien schwarzen
Kleid auch gleich meinte, eine ziemlich autobiografische Angelegenheit sei.
Dementsprechend kniete sich Helen Schneider in die Darbietung, flüsterte
ergeben und erhaben gleichermaßen das von Carole King geschriebene
Einstiegslied "(You Make Me Feel Like) A Natural Woman" und schob - autobiografisch wenig überraschend - als nächstes einen handfesten Blues nach.
Truer words
have not been spoken - or broken
Dem folgte mit "Born in Time" ein zu Unrecht relativ wenig
bekanntes Lied von Bob Dylan aus dem zu Recht mäßig beurteilten Album "Under the
red sky". Schneider meinte ja vorab, dass eine Autobiografie ohne Bob Dylan
nicht möglich sei, und da hat sie natürlich recht, selbst, wenn Bob Dylan nur "Born in time" geschrieben hätte. Ein Majestät von einem Lied, von Schneider
ebenso majestätisch vorgetragen, um danach entlang der Weihrauchstraße nach Jerusalem entlang zu schweben. Dort wird ja immerhin gesagt, dass die
"Königin aus dem Süden" auf der "Gold- und Weihrauchstraße"
gereist sei, um König Salomo in Jerusalem zu treffen. Die musikalische Reise in
den orientalisch geprägten Mystizismus hielt nur ein Lied lang, danach kam
erneut ein Dylan. "Das muss sein", sagte Schneider, "das singe ich seit 20
Jahren und immer sehr gerne". Und auch hier hatte sie wieder Recht, "Just Like
A Woman" muss einfach sein. Schneider zärtelte und schmachtete dieses Über-Lied
aus sich heraus und für die beiden Dylan-Lieder erhielt sie zum Lohn auch den
größten Applaus. Der Rest, wenn man so will, war dann nur noch Draufgabe. Leonard
Cohens "By the Rivers Dark" und Cole Porters "Love for Sale" - dem Jazzfest
Tribut zollend - standen ebenso auf der Setlist wie eine konzertante
Theater-Musik für ein transformiertes Schneewittchen frei nach Grimm, angelegt als Rock-Suite.
Dass es dabei mehr rockte und rollte, denn jazzte und swingte war zu diesem
Zeitpunkt demnach längst keine Überraschung mehr. Ebenso am Programm stand "I'd
like to be a child again", eine Ballade von Udo Lindenberg. Auch klar, denn
immerhin, so Schneider, "Schulde ich ihm meine Karriere". Und als letzter
Drüberstreuer folgte dann noch das unverwüstliche "Rock'n'Roll Gypsy
(Rock'n'Roll Outlaw)", einem Original von Rose Tattoo - und beide letzt
genannten kann man auf ihrem ziemlich sensationellen Solo-Debüt-Album von 1981, "Schneider with the
Kick", nachhören. Bezaubernd.
Babylon, Jerusalem und Judas
"Wichtig für mich sind die Lieder, nicht der Musikstil", verriet
die irische Sängerin Sinéad O'Connor der Zeitschrift Folker! anlässlich der
Veröffentlichung des Albums "Theology", jenes Album, das im Mittelpunkt der
ersten Konzerthälfte stand. Dem Wiener Publikum verriet sie, bevor sie den
ersten Ton sang, etwas ganz anderes, gleichermaßen auch als vorweggenommene
Entschuldigung für etwaige Gesangsschwächen, die eventuell folgen könnten. Sie
habe einen bösen Husten, meinte sie, und hustete, der Rest blieb Konjunktiv,
na, zumindest war dem Publikum in der Oper egal, dass sie einen Husten hat, Hauptsache,
sie ist da, und Hauptsache, sie singt. Glücklicherweise kam O'Connor ohne
Schlagzeuger angereist, eine E- und eine Akustik-Gitarre, ein Akkordeon und ein
Keyboard reichten völlig aus. Das Alte Testament sprach aus jeder Textzeile,
die Stimmung in der Oper rückte in ein angenehm sakrales Licht, und aus jeder
Faser ihrer Performance steckten unglaubliche Reichtümer. Atmosphärisch dicht,
gehaltvoll beseelt, introvertiert schüchtern, intim und immer sympathisch. Ja,
sie ist sehr sympathisch, diese Sinéad O'Connor, und sie hält mit ihrer Stimme,
mit ihren Liedern, kurzum, mit ihrer Musik, das ganze universale Gefüge
beisammen. Sie ist Erdenmutter und Tochter, glaubt an das Gute und an ein Leben
ohne Irritationen. Die Lieder schweben auf einem derart hohen Level dahin,
deren man sich weder erwehren kann noch mag, egal, ob O'Connor den Psalm 33
sang oder den Psalm 91 oder - als Zugabe - den wohl bekanntesten, Psalm 137, "Rivers
of Babylon", jenes von Boney M. verunstaltete und böswillig zerstörte Lied, das
allerdings aus sehr guter Quelle entsprang, nämlich von der jamaikanischen Band
The Melodians.
There's only this world
Das war eben aber nur die eine Seite der irischen Sängerin. Die
andere Seite vervollständigte das Bild eines bewusst lebenden Menschen. O'Connor - sie verzichtete nicht nur auf ein Schlagzeug, sondern auch auf Schuhe - stellte sich mit Fortdauer des Konzerts also bloßfüßig und singend dem Ungemach
und den Ungerechtigkeiten dieser Welt entgegen. Eine irische
Freiheitskämpferin, bewaffnet mit der E-Gitarre, singt Elegien über leidende
Kinder und sie prangert an, dass England beileibe nicht das mythische Land von Madame
George + Roses sei, sondern ein Land, in dem Polizisten "Black boys on mopeds"
töten. Oder sie lässt ihren Zorn über die Drogen-Dealer aus ("A Big Bunch of
Junkie Lies"), wenn sie singt, "You were killing my best friend with Cocaine
and Heroin." Das sitzt, und vor allem, die Stimmung verschiebt sich. "There's
only love?" Denkste.
Nach Hoffnung
kommt Zorn, Unbehagen, Hilflosigkeit. Und auch musikalische Änderungen
fließen
plötzlich ein, z.B. Post-Avantgardistisches am KORG, die
Akustik-Gitarre
wird zudem wie eine Sitar gespielt, und dann mit "Nothing Compares 2 U"
die
melancholische Erleichterung, das Schwelgen und zartbittere Empfinden,
gefolgt
von "The Last Day of our Acquaintance", ihrem wohl besten Lied. Mit "Thank You For
Hearing Me" endet das Konzert offiziell, nachgeschoben wird noch der
bereits
erwähnte Psalm 137. Der Konzert-Abend des 3. Juli 2008 endete wie er enden musste. Mit Standing Ovations. (Text: Manfred
Horak; Fotos: Wolfgang Gonaus)
CD-Tipps:
Sinéad O'Connor - Theology
{sus_amazon id=B000PUB5IG&pid=kulturwoche-21}
Musik:
@@@@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb:
Ministry O/Edel (2007)
Helen
Schneider – Like A Woman
{sus_amazon
id=B000O78LQO&pid=kulturwoche-21}
Musik: @@@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Edel (2007)
Link-Tipp:
Jazzfest Wien: Von Wurschtsemmerln und anderen Jazz-Delikatessen
|
|