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oconnor_backstage2008Es war ein Abend mit autobiografischen und theologischen Versatzstücken, und es war ein Abend zwischen Wehmut, Zorn und tiefem Glauben an das Gute. Helen Schneider und Sinéad O'Connor triumphierten beim Jazzfest Wien in der Staatsoper.


 


Zunächst betrat Helen Schneider die Bühne, deren aktuelles Album "Like A Woman" aus Cover-Versionen mit Liedern zum Thema Frau-Sein besteht, und also, wie die Sängerin im modisch gestylten rückenfreien schwarzen Kleid auch gleich meinte, eine ziemlich autobiografische Angelegenheit sei. Dementsprechend kniete sich Helen Schneider in die Darbietung, flüsterte ergeben und erhaben gleichermaßen das von Carole King geschriebene Einstiegslied "(You Make Me Feel Like) A Natural Woman" und schob - autobiografisch wenig überraschend - als nächstes einen handfesten Blues nach.

Truer words have not been spoken - or broken

schneider_helen_wolfgang_gonausDem folgte mit "Born in Time" ein zu Unrecht relativ wenig bekanntes Lied von Bob Dylan aus dem zu Recht mäßig beurteilten Album "Under the red sky". Schneider meinte ja vorab, dass eine Autobiografie ohne Bob Dylan nicht möglich sei, und da hat sie natürlich recht, selbst, wenn Bob Dylan nur "Born in time" geschrieben hätte. Ein Majestät von einem Lied, von Schneider ebenso majestätisch vorgetragen, um danach entlang der Weihrauchstraße nach Jerusalem entlang zu schweben. Dort wird ja immerhin gesagt, dass die "Königin aus dem Süden" auf der "Gold- und Weihrauchstraße" gereist sei, um König Salomo in Jerusalem zu treffen. Die musikalische Reise in den orientalisch geprägten Mystizismus hielt nur ein Lied lang, danach kam erneut ein Dylan. "Das muss sein", sagte Schneider, "das singe ich seit 20 Jahren und immer sehr gerne". Und auch hier hatte sie wieder Recht, "Just Like A Woman" muss einfach sein. Schneider zärtelte und schmachtete dieses Über-Lied aus sich heraus und für die beiden Dylan-Lieder erhielt sie zum Lohn auch den größten Applaus. Der Rest, wenn man so will, war dann nur noch Draufgabe. Leonard Cohens "By the Rivers Dark" und Cole Porters "Love for Sale" - dem Jazzfest Tribut zollend - standen ebenso auf der Setlist wie eine konzertante Theater-Musik für ein transformiertes Schneewittchen frei nach Grimm, angelegt als Rock-Suite. Dass es dabei mehr rockte und rollte, denn jazzte und swingte war zu diesem Zeitpunkt demnach längst keine Überraschung mehr. Ebenso am Programm stand "I'd like to be a child again", eine Ballade von Udo Lindenberg. Auch klar, denn immerhin, so Schneider, "Schulde ich ihm meine Karriere". Und als letzter Drüberstreuer folgte dann noch das unverwüstliche "Rock'n'Roll Gypsy (Rock'n'Roll Outlaw)", einem Original von Rose Tattoo - und beide letzt genannten kann man auf ihrem ziemlich sensationellen Solo-Debüt-Album von 1981, "Schneider with the Kick", nachhören. Bezaubernd.

Babylon, Jerusalem und Judas

"Wichtig für mich sind die Lieder, nicht der Musikstil", verriet die irische Sängerin Sinéad O'Connor der Zeitschrift Folker! anlässlich der Veröffentlichung des Albums "Theology", jenes Album, das im Mittelpunkt der ersten Konzerthälfte stand. Dem Wiener Publikum verriet sie, bevor sie den ersten Ton sang, etwas ganz anderes, gleichermaßen auch als vorweggenommene Entschuldigung für etwaige Gesangsschwächen, die eventuell folgen könnten. Sie habe einen bösen Husten, meinte sie, und sineadoconnor_theologyhustete, der Rest blieb Konjunktiv, na, zumindest war dem Publikum in der Oper egal, dass sie einen Husten hat, Hauptsache, sie ist da, und Hauptsache, sie singt. Glücklicherweise kam O'Connor ohne Schlagzeuger angereist, eine E- und eine Akustik-Gitarre, ein Akkordeon und ein Keyboard reichten völlig aus. Das Alte Testament sprach aus jeder Textzeile, die Stimmung in der Oper rückte in ein angenehm sakrales Licht, und aus jeder Faser ihrer Performance steckten unglaubliche Reichtümer. Atmosphärisch dicht, gehaltvoll beseelt, introvertiert schüchtern, intim und immer sympathisch. Ja, sie ist sehr sympathisch, diese Sinéad O'Connor, und sie hält mit ihrer Stimme, mit ihren Liedern, kurzum, mit ihrer Musik, das ganze universale Gefüge beisammen. Sie ist Erdenmutter und Tochter, glaubt an das Gute und an ein Leben ohne Irritationen. Die Lieder schweben auf einem derart hohen Level dahin, deren man sich weder erwehren kann noch mag, egal, ob O'Connor den Psalm 33 sang oder den Psalm 91 oder - als Zugabe - den wohl bekanntesten, Psalm 137, "Rivers of Babylon", jenes von Boney M. verunstaltete und böswillig zerstörte Lied, das allerdings aus sehr guter Quelle entsprang, nämlich von der jamaikanischen Band The Melodians.

There's only this world

oconnor_sinead_wolfgang_gonausDas war eben aber nur die eine Seite der irischen Sängerin. Die andere Seite vervollständigte das Bild eines bewusst lebenden Menschen. O'Connor - sie verzichtete nicht nur auf ein Schlagzeug, sondern auch auf Schuhe - stellte sich mit Fortdauer des Konzerts also bloßfüßig und singend dem Ungemach und den Ungerechtigkeiten dieser Welt entgegen. Eine irische Freiheitskämpferin, bewaffnet mit der E-Gitarre, singt Elegien über leidende Kinder und sie prangert an, dass England beileibe nicht das mythische Land von Madame George + Roses sei, sondern ein Land, in dem Polizisten "Black boys on mopeds" töten. Oder sie lässt ihren Zorn über die Drogen-Dealer aus ("A Big Bunch of Junkie Lies"), wenn sie singt, "You were killing my best friend with Cocaine and Heroin." Das sitzt, und vor allem, die Stimmung verschiebt sich. "There's only love?" Denkste. Nach Hoffnung kommt Zorn, Unbehagen, Hilflosigkeit. Und auch musikalische Änderungen fließen plötzlich ein, z.B. Post-Avantgardistisches am KORG, die Akustik-Gitarre wird zudem wie eine Sitar gespielt, und dann mit "Nothing Compares 2 U" die melancholische Erleichterung, das Schwelgen und zartbittere Empfinden, gefolgt von "The Last Day of our Acquaintance", ihrem wohl besten Lied. Mit "Thank You For Hearing Me" endet das Konzert offiziell, nachgeschoben wird noch der bereits erwähnte Psalm 137. Der Konzert-Abend des 3. Juli 2008 endete wie er enden musste. Mit Standing Ovations. (Text: Manfred Horak; Fotos: Wolfgang Gonaus)

CD-Tipps:
Sinéad O'Connor - Theology
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Musik: @@@@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Ministry O/Edel (2007)

helenschneider_likeawomanHelen Schneider – Like A Woman
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Musik: @@@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Edel (2007)

Link-Tipp:
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