Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: earbooks/Edel (11 CDs, 1 DVD und 1 Bildband; 2005)
Mit einem musikhistorisch komplexen Thema, monumental aufgebaut und abgearbeitet in einer Kreativitätswut von 18 Monaten, beschenkt uns nun der britische Sänger, Komponist, Gitarrist und Bildende Künstler Chris Rea, der mit der Veröffentlichung von „(Blue Guitars)“ gleichzeitig den Versuch startete sein Lebenswerk zu schaffen.
Mit „(Blue Guitars)“
begibt sich Chris Rea in die bodenlose Tiefe der Bluesgeschichte – allerdings
nicht als Archivar, der alte bis jüngere Blueslieder zum Vorschein bringt, um
diese mit seiner unverwechselbaren Technik neu zu interpretieren, sondern als
Komponist und Texter von satten 137 (in Worten: einhundertsiebenunddreißig)
Songs, allesamt aus seiner alleinigen Feder geschrieben. Und um diesen
kreativen Wahn die perfekte Illustration zu geben, malte Chris Rea gleich noch
so nebenbei an die 50 thematisch zu seinen Liedern ergänzende Bilder, die ob
ihrer analytischen Kraft und großer Sensibilität überzeugen und allesamt im
hervorragend gestalteten Buch zu finden sind. 30 Bilder können zudem über des Musikers Homepage (siehe Link-Tipp) als Poster
gekauft werden. Wer jetzt glaubt, die 11 Tonträger, die DVD und der Bildband seien eine unleistbare Angelegenheit irrt,
denn für magere 50 Euro wechselt dieses fulminante Ding den Besitzer.
Amerika mag ich nicht
Der Brite nahm sich das
Thema chronologisch vor, CD1 beginnt demnach in Afrika, bevor wir Zerstörer
kamen, bevor die Versklavung einsetzte. „(Beginnings)“ nennt sich
folgerichtig der erste Teil, das Instrumental „West Africa“ das erste superbe
Lied, bevor sich Chris Rea auch als elementarer Songtexter beweist: „I was born on the river road, I swear that`s
all I know/I was free with no heavy load, choose any way I go/I was free with
my head up high, a prince in/my land of home.“ Dem folgen weitere
thematische Schwerpunkte wie „(Country Blues)“, natürlich inklusive der
„Crossroads“-Legende rund um die Wette zwischen Robert Johnson und dem Teufel
irgendwo an der Ecke Highway 61 und Highway 49, sowie die Eckpfeiler der
Blues-Musik, „(Louisiana & New Orleans)“, „(Electric Memphis Blues)“,
„(Texas Blues)“, „(Chicago Blues)“, bis hin zum Balladenschwerpunkt, Gospel
Soul, Motown, und den „(60s & 70s)“. Dass
er dabei weniger darauf achtete den Sound der frühen Tage z.B. einzufangen,
sondern sich über den Umweg des Erzählens heranzuhanteln ist wohl der größte
Verdienst von Chris Rea bei diesem Projekt. Dadurch mutierte der Sänger nämlich
nicht zu irgendeiner obskuren Kunstfigur, vielmehr belebt er damit ein großes
Thema mit neuen Inhalten. Dass man so manche „Originale“ in so manch seinen
„Originalen“ wieder findet (bzw. wieder zu finden glaubt) sind Kunstgriffe, vor
denen Chris Rea zum Glück nicht zurückschreckte. Chris Rea zollt dieser
Musikform also seinen größten Respekt, im Gegensatz dazu ist im Amerika dafür
ein Gräuel, wie er im Telefongespräch betonte: „Amerika mag ich nicht, weder
das Essen, noch die Menschen.“ Und dann begann er wie ein Rohrspatz über dieses
Land zu
lästern, um im gleichen Atemzug darauf hinzuweisen, dass es ja auch
frühe Bluesformen in Europa gab, was allerdings vom Umfang her im Rahmen von
„(Blue Guitars)“ doch zu viel gewesen wäre. So blieb einzig die CD „(Celtic
& Irish Blues)“ übrig. Aber bitte, es ist ja noch nicht aller Tage Abend.
Bigger than a crowd
Um ein derartiges
gitarrenlastiges Mammut-Projekt stilgerecht zu Ende zu bringen benötigte
Meister Rea natürlich etliche Saiteninstrumente, so lag die Frage im Raum, ob
er selbst Gitarren sammelt: „Nein, überhaupt nicht. Die Gitarren, die ich
benötigte, borgte ich mir in einem Fachgeschäft aus.“ Ein Lied widmet Chris Rea
sogar seinem Lieblingsinstrument – „Electric Guitar“ handelt vom ersten
Einsetzen dieses Klangkörpers auf einer Bühne und den damit verbundenen Zukunftsvisionen des Musikers: „Man I get to play
real loud/Now I can play above the bar noise/Man I’m bigger than a crowd“. Die
von Rea in 137 Songs nacherzählte Bluesgeschichte ist ein Gewinn für eben
diese. Für Bluesfans ein Füllhorn und gute Gelegenheit für ausgiebige
Diskussionen, und die wird es garantiert geben. Gut so.
(Manfred Horak)
Link-Tipp:
www.chrisrea.com