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knef_irmgard_letzte_mohikanerinMusik: @@@@
Klang: @@@

Label/Vertrieb: www.conanima.de (2006)

„Wenn ich in der unmittelbaren Nachkriegszeit Fenster putzen wollte, musste ich zu meiner Nachbarin gehen. Weil bei der waren die Scheiben noch drinnen.“

Kabarettistische Jazz-Chansons ist das Konzept von Ulrich-Michael Heissig alias Irmgard Knef, die verlorene – und freilich fiktive – Schwester der verstorbenen Hildegard Knef.
Die verkannte und lange Zeit verleugnete Schwester von Hildegard Knef braust (in der Person von Ulrich Michael Heissig) mit dem dritten Programm „Die letzte Mohikanerin“ durch die Seelenlandschaft einer Trümmerfrau, erzählt Anekdoten über ihre „Freundinnen“ – zumeist selbst lange Zeit verleugnete Schwestern – wie Clara Leander und Annika Rökk und singt Jazz-Chansons wie eine Entrückte.

Die Texte, lebendig bizarr, sind Selbsttherapie und Slapstick mit starken gesellschaftspolitischen Hintergründen. Die einsamen Höhepunkte heißen „Mein Freund der Wimpernfabrikant“, „Schmeiß den Dreck weg“ und „Der Lack ist ab“ als unsensible melancholische Miniaturen ohne überanstrengenden Pathos. So windet sich Irmgard Knef z.B. in unwiderstehlicher Weise Gehirn in der Neuinterpretation von „Hit the Road Jack“, jenem von Percy Mayfield komponierten Welthit für Ray Charles, in die Wohnung von Clara Leander und findet dort, im Nachlass, nur allzu abenteuerliches vor, und listet unspektakulär locker lässig groovend das Inventar auf (von „Kastelruther Spatzen Plattenedition“ bis hin zu Pokemons für Senioren neben etlichen Jahrgängen vom „Goldenen Blatt“ und dergleichen), das logischerweise zum Resümee „Schmeiß den Dreck weg“ führt, mehr noch, führen muss. Heissig begibt sich dabei perfekt in die Rolle einer Scheinwelt, stürzt famos in das soulige Musikabenteuer, ortet den Krempel und lotet so nebenbei das Seelenleben einer ganzen von Trümmern geprägten Generation aus.
Generell bewegt sich Heissig sehr artistisch auf dem schmalen Grat der Unpeinlichkeit, macht nie den Schritt zu viel, der das ganze Projekt zum Absturz brächte, bleibt immer originell und Irmgard Knef ein - zwischen stark verschwommener Wirklichkeit und Wahrheit - Original. (Manfred Horak)

Buch-Tipp:
Ulrich Michael Heissig
Irmgard, Knef und Ich
Parthas Verlag Berlin
ISBN 3-86601-430-9