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Archäologie von Energie

Die österreichische Künstlerin Doris Uhlich, bekannt für ihr Nacktheits-Postulat in ihrem Schaffen, zeigte gemeinsam mit 30 PerformerInnen, die teils auch ihrem seit 2013 bestehenden more than naked-Ensemble entstammen, eine Performance in der Dominikanerkirche, bei der die Metaphorik der Ansteckung durchgespielt wird. Mit ihren nackten Performern, die ihren eigenen Körper bzw. sich gegenseitig in Schwingung versetzen, möchte sie ein ganzes Habitat an ungeahnten Lebensformen erfahrbar machen. Damit öffnet sie ein weiteres Kapitel ihrer Erforschung der "Archäologie von Energie". Mit energetischer Ansteckung kennt sich Uhlich bestens aus. Seit geraumer Zeit nun setzt sie sich mit dem Potenzial der Übertragbarkeit von energetischen Zuständen, Dynamiken und deren Abstufungen im Schaltkreis Mensch, Maschine, Sound auseinander. 

Unmittelbare Übertragung der Beseelung 

Diesmal steht die Energie einer Gemeinschaft im Vordergrund und Uhlich inszeniert einen wirklich sehr anmutigen wie auch subversiven kollektiven Bewegungskörper. Flirrende Tableau Vivant, bestehend aus den bebenden und zitternden Körpern der Performerinnen und Performer, formieren sich unter dem Lichteinfall der Mauerhohen Fenstern fließend in die Höhe und den Raum hinein.

Am Ort des Altars, an dem in römisch-katholischen Kirchen die Eucharistiefeier zelebriert wird, feiern die Performerinnen in der bereits 1786 säkularisierten Dominikanerkirche an dessen Stelle eine etwas andere Art der kollektiven spirituellen Zusammenkunft.

Die symbolische Feier des (geopferten) Leibes (Christi) der christlichen Heilslehre weicht hier einer Zeremonie ekstatischer Anregung: Die Körper selbst sorgen mit ihrer genuinen Beschaffenheit für die unmittelbare Übertragung der Beseelung. 

Rituale der Selbstdarstellung 

Zweifellos setzen Uhlichs Mitwirkende mit dieser Performance auch ein starkes nonverbales Statement gegen das hegemoniale Diktat der Schönheitsindustrie und dem westlichen körperlichen Perfektionsstreben. Uhlich selbst stand nackt am DJ-Pult und sorgte für die Techno-Untermalung. Der Faktor Nacktheit, der diese Performance maßgeblich prägt und erst dadurch von einem Techno-Tanz-Flashmob abhebt, mag ein banaler sein, ist aber interessanterweise trotz der gegenwärtigen kulturellen Körperfixierung in Ritualen der Selbstdarstellung ein Tabu und somit ein Ort der Machtaustragung. Dieses weitreichende und brisante Thema rein sinnlich aufzugreifen, gelingt ihr sehr gut. Sie macht damit anschaulich, welche kraftvolle Energie in Form von Vibes von einem sozialen Körper ausgehen, wenn die Individuen sich gemeinsam ihrer emanzipatorischen Macht bewusst werden. Es gab dafür ausgelassenen Applaus in der gut besuchten Dominikanerkirche.