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joan-baez-wienkonzertMit Spontaneität, witzigen Anekdoten und einer spielfreudigen Band hat Joan Baez bei Ihrem Auftritt in der Wiener Stadthalle (Halle F) gezeigt, wie man als Legende in Würde altern kann.





 

"Wir haben heute keine fixe Setlist", erklärte Folk-Legende Joan Baez gegen Ende ihres formidablen Wien-Konzerts am 19. Februar 2010 den Besuchern im Konzertsaal, aber gerade diese Spontaneität bei der Songauswahl und die Tatsache, dass Wien die erste Station der gerade beginnenden Europa Tournee war, machte den Auftritt besonders reizvoll. Zusätzlich hatte die 69-jährige Sängerin jede Menge Anekdoten aus ihrer langen Karriere und eine feine Band im Gepäck, die das ca. 90-minütige Konzert zur beschwingten Zeitreise umwandelten.

"Meine Tante hat mich auf ein Pete Seeger-Konzert geschleppt, so hat alles angefangen!"

Kurzerhand war die junge Frau aus New York, die am heimischen Koffer-Radio normalerweise Rhythm & Blues oder Doo Wop lauschte, aufgrund eines Konzertbesuchs mit ihrer Tante von Folk fasziniert. Es folgten die ersten Konzerte und frühe Plattenaufnahmen, zumeist handelte es sich dabei um Traditionals, in der Stadthalle vertreten durch Songs wie "Silver Dagger", "Long Black Veil" oder "Railroad Boy". Mit Songs wie diesen stand Joan Baez in den frühen 1960er Jahren bald an der Spitze der damals blühenden Folk-Szene, die sie sich mit Künstlern wie Joni Mitchell oder Judy Collins teilte. Nicht zu vergessen Bob Dylan, den Baez auf einer Tournee im Jahre 1961 kennen lernte. Er war für sie nicht nur künstlerisch eine große Inspiration, sondern die beiden wurden bald darauf auch privat für einige Zeit ein Paar. Seitdem hat Baez viele Dylan-Songs im Studio aufgenommen, bzw. auch in ihr Live-Repertoire übernommen. "Forever Young" und "Don't Think Twice It's Alright" zählen seit jeher zu den Höhepunkten jeder Baez-Show, und so war es auch in Wien.

Gespür für gute Songs

Joan Baez war mit wenigen Ausnahmen ("Diamonds & Rust") nie eine große Liederschreiberin, aber sie hatte immer ein feines Gespür für gute Songs von anderen Künstlern, die sie sehr erfolgreich gecovert hat. "Suzanne" (Leonard Cohen) und ihr einziger US-Top Ten Hit The Night They Drove Old Dixie Down (The Band) zählten auch in Wien zu den großen Publikumsfavoriten. Dieser Linie ist sie bis heute treu geblieben. Auf ihrem aktuellen Album "The Day After Tomorrow", benannt nach dem Song von Tom Waits und produziert von Alternative Country-Fixstern Steve Earle, finden sich Songs von Elvis Costello, T-Bone Burnett, Eliza Gilkyson oder Patty Griffin. Leider gab es von der neuen CD nur zwei Songs zu hören. Als kleine Aufmerksamkeit an die österreichischen Fans waren dafür auch zwei deutschsprachige Lieder im Programm, eines davon war der Antikriegs-Klassiker "Sag Mir Wo Die Blumen Sind" (Original: "Where Have All The Flowers Gone" von Pete Seeger).

Die Geschichtenerzählerin

Abschließend hatte Joan Baez noch eine ganz aktuelle Story parat: Beim Tribute-Konzert für die "Civil Rights"-Bewegung der 1960er Jahre, das Anfang Februar 2010 im Weißen Haus in Washington stattfand, und bei dem neben Baez auch Bob Dylan, Smokey Robinson, Robert De Niro oder Morgan Freeman auftraten, passierte ein kleines Missgeschick: "Meine Kleider, meine Haare, mein Make-Up - alles war perfekt, nur die Schuhe haben gedrückt. Ich habe das Shakehands mit Präsident Obama und seiner Familie nach dem Auftritt dann einfach barfuss absolviert!", erzählte Baez beim Konzert schmunzelnd. Ein weiterer Beweis, dass diese Frau auch mit 69 Jahren nichts von Ihrem Charisma und ihrer Natürlichkeit eingebüßt hat. Ihre Songs bzw. ihre Interpretationen sind sowieso zeitlos. Möge sie der Bühne noch lange erhalten bleiben. (Text und Fotos: Robert Fischer)
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Kurz-Infos:
Joan Baez
Bewertung: @@@@@
Konzertkritik zum Auftritt am 19. Februar 2010 in der Wiener Stadthalle (Halle F)