Musik: @@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Jaro/Ixthuluh (4 CDs; einzeln erhältlich; 2006)
Weltmusik aus der östlichen Himmelsrichtung präsentiert das Label Jaro auf einer Miniserie aus vorerst vier CDs, eine Erweiterung der Serie wäre wünschenswert. Polen, Russland, Bulgarien und die Türkei werden auf den CDs, erfreulicherweise nach sehr subjektiven Kriterien, vorgestellt. Von Alfred Krondraf.
Polish Spirit
Auf „Polish Spirit“ tummeln sich einige der Stars der Weltmusik die in den vergangenen Jahren den Sprung aus Polen in den „Westen“ geschafft haben. Neben der Klezmertruppe „Kroke“ geben sich auch die „Warsaw Village Band“ und das „Motion Trio“ ein Stelldichein. Vor allem die jungen Musiker, beispielgebend ist hier die „Warsaw Village Band“, nehmen sich der Tradition der polnischen Folklore an und verschmelzen alte Techniken, wie die „weiße Stimme“, einen Gesangstil der sich schon verdammt nahe an dem Schrei bewegt, mit neuen Komponenten aus der Elektronik. Loops und Reggae-Dubs stehen quasi für das moderne Polen. Ebenfalls tief in der Tradition, hier allerdings in der Tradition der Klezmer Musik, ist „Kroke“ verwurzelt. Die Truppe aus Krakau, die auch eine CD mit dem Klassik-Punk-Geiger Nigel Kennedy aufnahm, widmet sich der jüdischen Folklore und trug wesentlich zum Revival der Klezmer Musik bei.
Bei „Trebunie Tutki“ schwingt unüberhörbar die Schwere der Melancholie mit, getragene Musik, vollgepackt mit dunklen Seelennöten. Die „Kapela ze wsi Warszawa“ nimmt sich auf dem Take „Babas Ride“ ebenfalls der weißen Stimme an und führt die Tradition in die Moderne.
Turkish Obsession
Der Türkei gewidmet ist „Turkish Obsession“. Ausgehend von der Janitscharenmusik, einer rhythmisch ausgefeilten Militärmusik, bemühten sich vor allem europäische und in Europa lebende amerikanische und afrikanische Jazzmusiker um eine Auseinandersetzung mit der türkischen Folklore. Noch viel früher griff auch W. A. Mozart nach dem Rhythmusreichtum der Janitscharenmusik , sein „Rondo alla Turka“ gibt ein beredtes Beispiel dafür. Auf der CD gibt es eine „Rückübersetzung“ dieser Komposition von der Band „Sarband“. In dem früheren osmanischen Reich mit dem Zentrum Konstantinopel trafen viele Kulturen aufeinander, es war ein Schmelztiegel der unterschiedlichsten kulturellen Strömungen und jeder konnte hier seinen Platz finden. Aus diesen Bruchstücken setzte sich auch die Musik zusammen und dieses Amalgan wirkt bis heute nach, auch wenn gewissen Elementen, wie eben die Janitscharenmusik und die vertrackten Rhythmen bis heute überwiegen. Was da bisweilen wie Türkei-Pop klingt hat aber ihre Wurzeln in diesem tollen Durcheinander der Stile und bietet zwar keinen Überblick, aber einen Einblick in die Worldmusik der heutigen Türkei.
Bulgarian Passion
„Bulgarian Passion“ betitelt sich jene CD, die sich dem mehr oder weniger bekannten (Chor)gesang Bulgariens widmet. Was da an trivialem und banalem in den vergangenen Jahren an unsere Ohren schwappte ist nur der kommerzielle Ausfluss eines sich langsam öffnenden Landes. Die Historie der Musik und auch die künstlerische Umsetzung eben dieser Musik hört sich wesentlich anders an.
Die Vokalmusik Bulgariens hat ihren eigenen, fast mystischen Reiz und dieser entsteht durch die Verschränkung der Gesangsstimmen. Eine zweite Stimme, manchmal auch eine Dritte, wird dabei im knappsten Tonabstand zur Hauptmelodie gesetzt. Das kann für beinahe dissonante Reibungen sorgen, ergibt zugleich aber auch die gewaltige Faszination, die von dieser Musik ausgeht. Wenn es in der vorliegenden Perfektion dargeboten wird, dann kann diese Musik sehr „abgehoben“ und sphärisch klingen und kann den Hörer in einen ihm bis dato unbekannten Kosmos entführen. Gefordert sind nur Zeit, Gelassenheit und ein offenes Ohr sowie ein offener Geist.
Russian Soul
Fette russische Erde, Vodka schon zum Frühstück und tiefste Seelenpein beim Gedanken und Gedenken an Mütterchen Russland. Vorurteile? Klischees? Ja und Nein. Bedient wird auf dieser CD jeder Geschmack. Mikhail Alperin, russischer Jazzer der Extraklasse ist ebenso vertreten wie das Moscow Art Trio, die Farlanders, Vladisvar Nadishna und andere.
Die CD bietet ein breites Spektrum der Musik aus dem gewaltigen Land und ist, im Rahmen dieser Miniserie, die Modernste. Obwohl kein Klischee ausgelassen wird klingt es fast durchgehend nach Jetztzeit, auch wenn die lange Geschichte der russischen Musik immer ein wenig mitschwingt. Hier findet eben ein Umbruch statt, die wohlgeordneten Töne werden bisweilen ein wenig gebrochen und der Opener, das Liebeslied der Katzen, bietet schon einen Vorgeschmack auf das Kommende.
Katzenmusik in höchster Vollendung sozusagen, Stile werden bunt gemischt und kein Einfluss wird verleugnet, aber immer wird alles in einen bestimmten Klang verpackt und dadurch zutiefst eigenständig. Auch wenn nicht alle Komponenten des musikalischen Zustandes des Landes auf dieser CD erfasst werden konnten, zu vielschichtig gestaltet sich das Schaffen, so bietet die CD doch einen sehr schönen, absolut hörenswerten Einblick in das Tun der Künstler. (Alfred Krondraf)