Labyrinth of Lies bezieht sich auf die sogenannte "Umbrella Revolution" bzw. "Regenschirm-Bewegung" von 2014 in Hongkong. Der Hintergrund für diese symbolträchtigen Demonstrationen mit dem Ruf nach mehr Demokratie war, dass bei der Rückgabe an China 1997 für das Jahr 2017 den Bürgern von Hongkong freie Wahlen in Aussicht gestellt wurden, was ihnen selbst unter britischer Herrschaft nicht möglich war. Eine Wahlreform blieb jedoch aus. Während der März-Wahl 2017 kam es daher erneut zu Protesten. Demonstranten beklagten "Wahlschwindel" und forderten weiterhin freie Wahlen. Warum nehmt ihr dieses Meta-Thema, die symbolischen Regenschirme, für den Irrgarten der Lügen?
Verena Schneider: Labyrinthe gibt es in vielen Formen. Egal, ob im altbekannten Maisfeld oder in verschachtelten Gängen. Es sind immer verschlungene Wege, dessen Führungen unter regelmäßigem Richtungswechsel und zeitweise auch Sackgassen zwangsläufig zum Ziel, führen. So sind auch die Demonstrationen ein Weg, der gegangen wird, um an ein Ziel zu gelangen - mehr Demokratie und Freiheit. Den Besucher durch Labyrinthe zu schicken bedeutet, sie auf eine unbekannte Reise zu schicken. Welche Richtung ist richtig? Welcher Weg falsch? Wem kann ich glauben auf meinem Weg zum Ziel? Es ist eine Mischung aus Glaube, Wissen, Wahrheit und Lüge, die unsere Gesellschaft Entscheidungen treffen lässt. Die Connor Brothers beispielsweise arbeiten mit der gesellschaftlichen Besessenheit der Fake News. Was meinen wir, wenn wir sagen, dass etwas "Wahr" ist. Ist die Wahrheit absolut? Oder ist es nur die bequemste der verfügbaren Fiktionen? Den Künstlern ist es wichtig, die übliche Wahrnehmung von Realität zu durchlöchern und neue Wege der Sicht auf die Welt zu schaffen. Die Leute sollen daran erinnert werden, die eigenen Überzeugungen anzunehmen und sich dafür einzusetzen. Gemeinsam Kunst erleben - ohne den anderen wirklich zu sehen. Ein Ziel die traditionellen Betrachtungsweisen zu durchbrechen, zum selbständigen Erleben zu gelangen und erreichbare eigene Perspektiven zu entwickeln.
Clara Cremer: Ein Labyrinth ist ein Ort des Mutes und der Angst, des Suchen und Findens, des Verloren-Seins und erhofften Ankommens. So unterschiedlich diese Begriffe sind, so trifft dennoch alles zu und ist ebenso auch auf Protestbewegungen anzuwenden. Heutzutage befinden wir uns in einem Medien-Dschungel. Wir sind immer und überall trackbar - und trotzdem fühlen wir uns so unsicher wie noch nie. Dies hat sehr viel mit Verwirrung und Misstrauen zu tun und das ist letztendlich der Ausgangspunkt vieler Demonstrationen - der Annahme von Lügen, Betrug und Ungerechtigkeit. Genau darin befindet sich jeder einzelne, jeden Tag. Ein weiterer Aspekt ist natürlich wieder der Kontrapunkt zur klassischen Präsentation von Kunst im White Cube, das so rein und perfekt erscheint. Dennoch ist der Erfolg eines Künstlers im Kunstmarkt, indem wir uns befinden, stark abhängig von bestimmten Stellschrauben und bringt viele Künstler dazu sich zu verbiegen, bevor sie kreativ zerbrechen. Den Erfolg zu erlangen ist wie in einem Labyrinth zu stehen, du weißt nicht, ob du in die richtige Richtung gehst, machst Umwege und musst auch mal feststellen, dass du den falschen Weg eingeschlagen hattest. Dann kehrst du um und wagst dich wieder mutig zur nächsten Biegung. Denn irgendwo ist das Ziel, irgendwo ist die Wahrheit, auch wenn wir sie nicht klar sehen (wollen).
Wie einfach ist es (hinsichtlich Bürokratie, Fördermöglichkeiten, aber auch Aufmerksamkeit zu erreichen) in Berlin eine Ausstellung/Installation wie diese durchzuführen? Was bedeutet euch Berlin als Kulturstandort?Clara Cremer: Man braucht sehr viel Vorbereitungs- und Planungszeit, wenn man eine Ausstellung wie "The Dark Rooms" und Labyrinth of Lies so groß aufzieht. Wir haben an "The Dark Rooms" 1,5 Jahre gearbeitet und davon ca. ein 3/4 Jahr lediglich in das Durchforsten der Medien- und Kunstlandschaft in Deutschland verbracht, um alle potenziellen Medienpartner und Interessenten herauszufinden. Das ist teilweise eine wirklich langweilige und Nächte-zehrende Arbeit, aber es lohnt sich. Es ist ein Riesenaufwand, die bestimmten Blogs, Magazine etc. rauszusuchen, dann den entsprechend wichtigen Kontakt ausfindig zu machen, von demjenigen die Artikel zu lesen, um ihn darauf aufbauend hin anzuschreiben und ihn zur eigenen Ausstellung einzuladen. Schließlich muss man die Ausstellung als eine Art Produkt sehen, was man den Besuchern schmackhaft macht, weil man davon überzeugt ist, dass es relevant ist. Berlin ist ein Ort der Erlebnisse und berauschenden Erfahrungen und folglich sollte man dies auch in der Kunstpräsentation sehen. Die Leute wollen etwas erleben und wir sehen es als wichtig an Kunst ebenfalls zu einem Spektakel werden zu lassen. Ich persönlich bin der Meinung, dass jeder in der Auseinandersetzung mit der Kunst viel Wahrheit entdecken wird. Die Problematik in einer so pulsierenden Stadt wie Berlin ist nur, hart gesagt, wie kriegst du Kreuzberg-Clubgänger, und Mitte-Schick-flanierende zusammen in eine Ausstellung? Dies geht nur, indem wir intensive Erfahrungen und hochwertige Kunst konzeptuell zusammen bringen und dabei vielleicht selbst am meisten staunen.
Verena Schneider: Zudem ist natürlich auch der mediale Teil sehr wichtig und benötigt viel Aufwand. Eigene Website, Instagram und Facebook Accounts inkl. der Pressearbeit kosten extrem viel Zeit. Aber nur so kann man die Leute erreichen, die es interessiert und erlangt die Aufmerksamkeit, die das Konzept PlusOne verdient.Berlin war bei meiner Planung und Konzeptionierung erste Idee und Anlaufstelle, da ich selbst diese kulturelle und künstlerische Vielfalt Berlins liebe und zudem tolle Partner gefunden habe.
Labyrinth of Lies: Interview mit Verena Schneider und Clara Cremer - Seite 2 - Über die Umbrella Revolution, Demokratie und Freiheit
von Manfred Horak
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