Wann und wodurch habt ihr für euch beschlossen im Kunstbereich tätig zu werden? Gab es da einen speziellen Moment, eine Art Initialzündung?
Verena Schneider: Zwar habe ich mich schon immer für Kunst interessiert und auch in meinem LKM-Studium (Literatur, Kunst & Medien) dieses Feld gestreift, aber den entscheidenden Ausschlag gab mir vor fünf Jahren mein Schwiegervater. Als leidenschaftlicher Kunstsammler hat er mit mir zusammen jede nur mögliche Kunstausstellung besucht und Kunstmessen besichtigt und mir diese Welt gezeigt. Ich habe mich ziemlich schnell in diese Welt verliebt und empfand die Zusammenarbeit und der Kontakt mit unterschiedlichsten Künstlern super spannend. Also habe ich mich vor fünf Jahren selbstständig gemacht und angefangen private Kunstsammlungen zu betreuen und aufstrebende, junge Künstler aus dem süddeutschen Raum zu fördern. Nach zwei Jahren habe ich die passende Plattform hierfür gefunden, die Venet-Haus Galerie. Die Galerie, in der bereits Namen wie Arne Quinze oder Bernar Venet ausgestellt wurden, bietet nun Raum für zeitgenössische Positionen narrativer und konzeptueller Kunst. Mit dem Konzept PlusOne wurde nicht nur eine weitere kulturelle Plattform geschaffen, die Wahrnehmung von Kunst auf ein anderes (Erlebnis-)Level zu setzen, sondern auch die Chance immer wieder mit neuen, interessanten Menschen zusammen arbeiten zu können und neue Ausstellungskonzepte zu realisieren. In dieser Edition "Labyrinth of Lies" hatte ich das wunderbare Glück mit Clara Cremer von "The Dark Rooms" zusammenarbeiten zu dürfen. Ich bin sehr gespannt, wie Berlin auf PlusOne reagieren wird.
Clara Cremer: Ich komme aus einer puren Künstler-Familie und bin demnach schon immer der Freude und dem Leid der Kunst und seinen Interessenten ausgesetzt. Für mich war es schon von klein auf klar, dass ich nur als Kunstschaffende und mit Kunstschaffenden mein Leben beschreiten will. Ich brauche den inneren Kampf, die Intensität und die Leidenschaft im Erschaffen. Zudem erscheint es mir eine Notwendigkeit neue Zugänge zu Werken zu schaffen. Die Initialzündung war dann definitiv der sehr stressige Eröffnungsabend beim Gallery Week End 2015, welches mich und die dazu bewogen hat, das White Cube System mit seinen Prossecci und Small Talks auf Bürgersteigen auf den Kopf zu stellen. "Labyrinth of Lies" ist vor allem durch PlusOne initiiert - also durch Verena Schneider, die im Zuge von dem Erfolg von "The Dark Rooms" auf mich zukam. Es ist mir eine große Ehre, mit ihr die erste Edition von PlusOne zu kuratieren und freue mich auf die Reaktionen der Besucher in "Labyrinth of Lies".
Was assoziiert ihr mit den Begriffen Zeitgeist, Vergänglichkeit, Angst, Selbstbewusstsein, Unterhaltung, Web 2.0, Politik?
Clara Cremer: Das sind viele wichtige Begriffe. Wenn ich es zunächst persönlich betrachte, muss ich zunächst sagen, dass ich keine Angst habe. Ich weiß, dass mir das Leben alles bedeutet und dass ich jeden Tag dankbar mit einem Lächeln starten möchte. Angst hemmt und ist der Killer jeglicher Inspiration. Ich glaube viele Menschen sind beherrscht von großer Unsicherheit über ihr Hier und Jetzt, über die Zukunft und auch über ihr eigenes Können. Ich erlebe meine Generation als eine Generation der Selbstzweifel, welches letztendlich aus einer falschen oder fehlenden Identität erwächst. Junge Kreative wissen nicht wohin sie gehören oder was sie können, wo wir direkt beim Begriff "Selbstbewusstsein" sind und welches leider heutzutage stark mit einem Selbstdarstellungswahn verbunden ist. Menschen verbringen inzwischen mehr Zeit damit Selfies zu schießen, damit ein "Freund" es mit einem "Gefällt mir" bezeichnet, als den Kopf vom Handy hoch zu heben, und sich mit den realen Menschen und Gegebenheiten auseinander zu setzen. Es ist häufig nur noch ein "selbst beweihräuchern", welches sich als Sehnsucht nach Anerkennung entpuppt. Auch wenn ich das Web 2.0 als großartige Bereicherung in vielerlei Hinsicht sehe und ich es mir auch nicht weg denken möchte, steigert das Internet unsere soziale Kompetenz, meiner Meinung nach, nicht. Denn wir bauen uns ein zweites, virtuelles Leben, welches geprägt ist von vergänglichen Konsumgütern und zahlreichen Emojis, statt erst einmal das reale Leben mit wahren Emotionen auszukosten.
Außer zu "Labyrinth of Lies" am 25./26. Mai 2017 zu pilgern - welche Tipps für Kunst- und Kulturinteressierte könnt ihr geben?
Clara Cremer: In Berlin gibt es wahnsinnig viel zu erleben, persönlich spannend finde ich allerdings weniger die großen Kunsttourismus-Events oder das flanieren durch Galeriestraßen, als viel mehr inszenierte Ausstellungen und Projekträume, die bespielt werden. Dies findet man selten bei großen öffentlichen Events, sondern über Kunst-Blogs und Social Media Kanäle. Ich würde als Kunstinteressierter auf Blogs und Magazine, die nicht nur die großen Galerien featuren zurückgreifen und wirklich aus Berlin kommen, wie ArtatBerlin, iHeartBerlin, BOLD oder auch Glarify, die eine klasse Übersicht in ganz Deutschland bieten, und eine personalisierte Empfehlung für die aktuellen Ausstellungen haben. Ansonsten ist es ratsam bei einem Bio-veganen-Mandelmilch-Matcha-Lattemacciato (Scherz!) ein Stadtmagazin wie Urbanite oder den neuen Kunstführer DEEDS zu durchstöbern, um spannendes im Kunstbereich in Berlin zu finden.
Zuletzt möchte ich noch gerne wissen, was eure Lieblingsalben bzw. Lieblingslieder und Lieblingsbücher sind, ohne die das Leben für euch ein Irrtum wäre?
Clara Cremer: Da weiß ich tatsächlich nicht wo ich anfangen sollte. Für mich ist ein Leben ohne Künste, sei es Musik, Bildende Kunst, Theater und vor allem Tanz elementar, um inspiriert zu sein. Ohne Inspiration gäbe es keine Kreativität und wenn ich nichts erschaffen könnte, wäre das Leben definitiv ein Irrtum. Musikalisch begleitet mich schon immer Filmmusik, deshalb könnte ich nicht auf den Soundtrack von "PINA" oder dem Film "Abbitte" verzichten. Auch Fazil Say und inzwischen Nils Frahm ist einer meiner Lieblinge. Allgemein inspiriert mich instrumentale, dynamische mit einem Hauch Elektronik angehauchte Sounds. Und seit Berlin ist Elektronische Musik natürlich nicht mehr wegzudenken, da wäre "A New Error" von Moderat beispielsweise sehr präsent. Ich lege mich allerdings nicht auf gewisse Stile oder Musiker fest, sondern möchte mich immer wieder überraschen lassen. Bezüglich der Lieblingsbücher... - Bücher die meine Kindheit und Jugend geprägt haben sind "Die Chroniken von Narnia", deren filmische Umsetzung "Der König von Narnia" mich zu ersten Projekten inspirierten. Ohne diese Bücher wäre meine Jugend ein Irrtum, auf jeden Fall. //
Interview: Manfred Horak
Fotos: Frank Sauer, Saskia UppenkampLabyrinth of Lies
25. und 26. Mai 2017 (jeweils 18 bis 22 Uhr)
Willner Brauerei, Berliner Straße 80-82, 13189 Berlin
Einlass zur Ausstellung ist nur mit einem Ticket möglich. Das Ticket ist kostenlos.
Kulturwoche.at verlost die letzten, raren, Eintrittskarten zur Ausstellung, siehe Gewinnspiel
Labyrinth of Lies: Interview mit Verena Schneider und Clara Cremer - Seite 3 - Über Initialzündungen, Angst, Selbstbewusstsein, Web 2.0
von Manfred Horak
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